Hinterbliebenenversorgung – Spätehenklauseln

10. Juli 2019vonvon

BAG, Urteil vom 22.01.2019 – 3 AZR 560/17

BAG, Urteil vom 19.02.2019 – 3 AZR 215/18

Das Bundesarbeitsgericht hatte Anfang des Jahres in zwei unterschiedlichen Fällen erneut zur Zulässigkeit der unmittelbaren Anknüpfung einer Spätehenklausel an das Alter des Versorgungsberechtigten zu entscheiden.

Tatbestand:
In beiden Fällen wurde den Versorgungsberechtigten jeweils eine Hinterbliebenenleistung nur für den Fall zugesagt, dass die Ehe vor Vollendung des 62. Lebensjahres des Versorgungsberechtigten geschlossen worden ist.

In einem der beiden Fälle war zudem die Vollendung des 62. Lebensjahres als feste Altersgrenze für den Bezug der Altersleistung in der Versorgungsordnung definiert. In dem anderen Fall wurde dagegen als feste Altersgrenze die Vollendung des 65. Lebensjahres vereinbart.

Entscheidung:
Obwohl die Spätehenklauseln in beiden Fällen an eine Eheschließung vor Vollendung des 62. Lebensjahres anknüpften, kam das Bundesarbeitsgericht in seiner Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Spätehenklauseln zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Das Bundesarbeitsgericht sah die Anknüpfung der Spätehenklauseln an das Alter der Versorgungsberechtigten in beiden Fällen grundsätzlich als Altersdiskriminierung an, denn das Alter eines Versorgungsberechtigten sei nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kein tauglicher Anknüpfungspunkt. Es sei regelmäßig nicht angemessen, die Hinterbliebenenleistung allein deshalb auszuschließen, weil der Versorgungsberechtigte bei Eheschließung bereits ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat.

Allerdings könnte die Altersdiskriminierung nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gerechtfertigt sein, wenn die Anknüpfung an das Alter einem betriebsrentenrechtlichen Strukturprinzip folgt. Knüpfen Altersgrenzen an ein betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip an, sind diese nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG in der Regel angemessen. Als betriebsrechtliches Strukturprinzip sind dabei nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Ende des Arbeitsverhältnisses, der Eintritt des Versorgungsfalls und die feste Altersgrenze für den Bezug der Altersleistung anerkannt.

Diese Ereignisse stellen jeweils eine Zäsur dar. Der Arbeitgeber ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts berechtigt, die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers für die Zeit nach Eintritt einer solchen Zäsur bei der Abgrenzung seiner Leistungspflichten unberücksichtigt zu lassen.

Das Bundesarbeitsgericht kommt somit zu dem Ergebnis, dass die Anknüpfung der Spätehenklausel an die Vollendung eines bestimmten Alters des Versorgungsberechtigten dann gerechtfertigt ist, wenn dieses zugleich als feste Altersgrenze für den Bezug der Altersleistung definiert worden ist.

Bedeutung für die Praxis:
Viele Versorgungszusagen und Versorgungsordnungen enthalten Spätehenklauseln, die unmittelbar an das Alter des Arbeitnehmers anknüpfen und sollten aufgrund der aktuellen Rechtsprechung dringend überprüft werden. Soll die Spätehenklausel unmittelbar an das Alter des Versorgungsberechtigten geknüpft werden, ist dies nur dann zulässig, wenn das gewählte Alter zugleich als feste Altersgrenze für den Leistungsbezug definiert wird.

Um mögliche Risiken einer unmittelbaren Anknüpfung an das Alter des Versorgungsberechtigten zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Spätehenklausel stattdessen altersunabhängig an die Beendigung des Dienstverhältnisses, den Eintritt eines Leistungsfalls oder das Erreichen der festen Altersgrenze zu koppeln.