Hinterbliebenenversorgung – Spätehenklausel – Diskriminierung wegen Alters
BAG, Urteil vom 04.08.2015 – 3 AZR 404/13 – Pressemitteilung Nr. 40/15
Tatbestand:
Die Witwe des verstorbenen Arbeitnehmers klagte auf die Zahlung einer in der Versorgungsordnung zugesagten Hinterbliebenenversorgung. Die Versorgungsordnung enthielt jedoch eine sog. Spätehenklausel. Ein Anspruch auf die Hinterbliebenenversorgung besteht nach dieser Klausel nur dann, wenn die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen wurde. Im vorliegenden Fall wurde die Ehe des Arbeitnehmers mit der Klägerin jedoch nach Vollendung des 63. Lebensjahres geschlossen, so dass die Beklagte die Leistung unter Berufung auf die Spätehenklausel verweigerte. Die Klägerin dagegen war der Ansicht, dass die Spätehenklausel eine Diskriminierung wegen des Alters darstelle und damit unwirksam sei.
Entscheidung:
Das BAG schloss sich der Ansicht der Klägerin an und entschied, dass eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters vorliegt, welche weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 10 S. 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt ist. Bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ist gem. § 10 S. 3 Nr. 4 AGG die Festsetzung von Altersgrenzen unter erleichterten Voraussetzungen möglich. Dies gilt allerdings nur im Hinblick auf die Alters- und Invaliditätsversorgung, nicht jedoch für die Hinterbliebenenversorgung. Die Rechtfertigung der unmittelbaren Altersdiskriminierung im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung unterliegt somit den strengeren Vorschriften des § 10 S. 1 und 2 AGG. Die Festsetzung der Altersgrenze muss objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein. Darüber hinaus müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Nach Ansicht des BAG führt die in der vorliegenden Versorgungsordnung vereinbarte Spätehenklausel zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer und ist somit gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.
Bedeutung für die Praxis:
Ist die Hinterbliebenenleistung nicht individuell sondern kollektiv zugesagt, enthalten viele Versorgungsordnungen und auch einige individuelle Zusagen Spätehenklauseln, die unmittelbar an das Alter des Arbeitnehmers anknüpfen. Diese sollten geändert werden. Nach der bisherigen Rechtsprechung sind des BAG sind Spätehenklauseln, die nicht unmittelbar an das Alters des Arbeitnehmers sondern an das Bestehen des Dienstverhältnisses anknüpfen, zulässig und stellen keine Diskriminierung wegen Alters dar. Sieht die Versorgungsordnung z.B. vor, dass die Ehe während des bestehenden Dienstvehältnisses oder vor Eintritt in den Ruhestand geschlossen worden sein muss, so sind diese Klauseln nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG zulässig.