Hinterbliebenenversorgung – „Haupternährerklausel“
BAG, Urteil vom 30.09.2014 – 3 AZR 930/12
Das BAG hat entschieden, dass eine Klausel, wonach die Hinterbliebenenleistung nur dann gewährt wird, wenn der Versorgungsberechtigte „den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat“, gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB verstößt und damit unwirksam ist.
Im vorliegenden Fall wurde dem Versorgungsberechtigten eine Pensionszusage erteilt, die eine Hinterbliebenenleistung an seine Ehefrau vorsah. Diese sollte aber unter anderem nur dann gewährt werden, wenn der Versorgungsberechtigte „den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat“.
Das BAG stellt in seinem Urteil zunächst fest, dass die erteilte Pensionszusage Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 BGB enthält, da es sich um für eine Vielzahl von Pensionszusagen vorformulierte Vertragsbedingungen handelt. Somit unterliegt die Pensionszusage der AGB-Kontrolle. Gem. § 307 BGB sind Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders (hier den Versorgungsberechtigten) entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine derartig unangemessene Benachteiligung ergibt sich hier nach Ansicht des BAG aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bestimmung, denn diese lässt einen Beurteilungsspielraum für den Arbeitgeber zu. Es wurde nicht hinreichend definiert, in welchen Fällen von einem überwiegenden Bestreiten des Familienunterhalts auszugehen ist. Die Ansicht des LAG Köln, wonach die „Haupternährerklausel“ dahingehend ausgelegt werden könnte, dass mit ihr an die Regelungen des § 43 Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden soll, lehnt das BAG ab. Zwar ist nach Ansicht des BAG der in der Pensionszusage enthaltene Passus vom Wortlaut ähnlich wie § 43 AVG, wonach ein Anspruch des Ehemannes auf Witwerrente nur dann bestand, „wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hatte“. Anders als bei Verwendung der Begriffe „Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, bei denen das BAG regelmäßig davon ausgeht, dass auf die Begrifflichkeiten des Sozialversicherungsrechts verwiesen werden soll, kann nach Ansicht des BAG ein verständiger Arbeitnehmer aufgrund der hier vorliegenden Formulierung der „Haupternährerklausel nicht erkennen, dass auf § 43 AVG Bezug genommen wird. Unabhängig davon war § 43 AVG zum Zeitpunkt der Zusageerteilung bereits seit mehr als 10 Jahre außer Kraft.
Die Formulierung des „überwiegenden Bestreiten des Familienunterhalts“ lässt sowohl in zeitlicher Hinsicht, als auch in Hinblick auf die Begriffe „Familie“ und „Unterhalt“ nicht erkennen, welche Voraussetzungen konkret erfüllt sein müssen, damit der Versorgungsberechtigte als „Haupternährer“ im Sinne dieser Klausel anzusehen ist. Daneben ist auch unklar, welche Einkünfte der Ehegatten im Rahmen dieser Prüfung herangezogen werden. Nach Ansicht des BAG wäre es der beklagten Arbeitgeberin jedoch ohne weiteres möglich gewesen, die Voraussetzungen für die „Haupternährereigenschaft“ so exakt zu definieren, dass das Gewollte klar und eindeutig zu erkennen gewesen wäre.
Das BAG hat daher entschieden, dass die „Haupternährerklausel“ wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot unwirksam ist.
Bedeutung für die Praxis:
Die sog. Haupternährerklausel findet sich oft in älteren Pensionszusagen wieder und ist häufig ähnlich wie im hier vorliegenden Fall formuliert. Wir empfehlen daher die Hinterbliebenenregelungen in den Pensionszusagen zu überprüfen und ggf. mit Zustimmung des Versorgungsberechtigten neu zu formulieren.