Erweiterte Informationspflichten des Arbeitgebers
LAG Hamm, Urteil vom 06.12.2017 – 4 Sa 852/17
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat einem Arbeitnehmer Schadensersatz zugesprochen, da der Arbeitgeber bzw. dessen Erfüllungsgehilfe seiner Informationspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei. Gegen dieses Urteil ist beim Bundesarbeitsgericht (BAG) Revision eingelegt worden. Die Entscheidung des BAG kann großen Einfluss für die Arbeitgeber und auch für deren Erfüllungsgehilfen (Versicherungsvermittler und bAV-Spezialisten) im Rahmen der Informationspflicht im Bereich der betrieblichen Altersversorgung haben.
Sachverhalt:
Der Kläger war elf Jahre bei der Beklagten angestellt. Der Beklagte ist Mitglied in einer Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände VKA und dadurch an die für den öffentlichen Dienst maßgeblichen Tarifverträge gebunden. Die Tarifverträge sahen zur Entgeltumwandlung vor, dass diese nicht nur bei öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen abgeschlossen werden kann, sondern auch bei Sparkassen-Finanzgruppen oder Kommunalversicherern. Der Beklagte entschied sich für eine Sparkassen-Finanzgruppe. Der Kläger schloss bei dieser eine betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung ab. Das Arbeitsentgelt des Klägers lag ab 2003 durchgängig oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (BBG) für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung.
Bei einer Betriebsversammlung informierte ein Mitarbeiter der Sparkassen-Finanzgruppe über die Möglichkeiten der Entgeltumwandlung. Ein Tagesordnungspunkt der Informationsveranstaltung war das Thema der Netto-Lohnerhöhung. Darüber hinaus wurde auch die Möglichkeit von Einzelgesprächen angeboten. Von diesem Angebot machte der Kläger allerdings keinen Gebrauch.
Zur gleichen Zeit wurde im Bundestag über eine Gesetzesänderung für die Beitragspflichten zur Kranken- und Pflegeversicherung diskutiert. Die Gesetzesänderung ist zu Beginn des darauffolgenden neuen Jahres in Kraft getreten und hatte zur Folge, dass auch Kapitalleistungen zum beitragspflichtigen Einkommen nach § 229 SGB V als Versorgungsbezug galten.
Der Kläger verlangt Ersatz der Beiträge, die er an die gesetzliche Krankenversicherung abführen muss. Er sei nicht darüber informiert worden, dass eine Gesetzesänderung über die Beitragspflicht bevorstehe. Hätte er dies gewusst, dann hätte er sich für eine private Vorsorge entschieden.
Entscheidung:
Das LAG Hamm hat der Klage stattgegeben und damit die vom BAG geforderten Mindestanforderungen an die Informationspflichten weiter konkretisiert. Das BAG verlangt bisher vom Arbeitgeber, dass er den konkreten Versorgungsträger, den Durchführungsweg, die konkrete Zusageform und die Versicherungs- und Versorgungsbedingungen des Versorgungsträgers mitteilen muss, wenn Entgeltumwandlung durchgeführt werden soll. Das Gericht hat nun klargestellt, dass es dies nicht als ausreichend ansieht. Der Arbeitgeber bzw. der von ihm beauftragte Spezialist ist verpflichtet vollumfänglich aufzuklären. Dazu gehören nach Auffassung des LAG Hamm auch anstehende Gesetzesänderungen. Insbesondere, weil bei der Betriebsversammlung mit der Chance auf Netto-Lohnerhöhung geworben wurde, hätte sensibel mit der anstehenden Gesetzesänderung umgegangen werden müssen.
Spätestens zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung hätte über diese informiert werden müssen. Dies ist im vorliegenden Fall erst Jahre später geschehen. Zudem sollte nicht ausreichend sein, dass dem Arbeitnehmer das Angebot einer Einzelberatung gemacht wurde. Die allgemeine Informationsveranstaltung muss alle möglichen Nachteile und üblichen Problematiken abdecken.
Das Gericht begründet diese gesteigerte Informationspflicht damit, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Entgeltumwandlung aktiv angeboten hat. Durch diese Initiative habe er beim Kläger den Eindruck erweckt, er werde seine Interessen wahren und über alle erheblichen und atypischen Risiken aufklären. Weiter stellte das LAG Hamm fest, dass dies gerade bei Entgeltumwandlungen gelten muss, da es in diesem Fall nicht nur um Vertrauensschutz, sondern auch um Gehaltsschutz gehe.
Bedeutung für die Praxis:
Das BAG ist nun also gefordert sich über die Informationspflichten des Arbeitgebers und dessen Erfüllungsgehilfen weitergehende Gedanken zu machen. Sollte sich das BAG der Entscheidung des LAG Hamm anschließen, dann würde dies eine umfassende Informationspflicht für den Arbeitgeber und dessen Erfüllungsgehilfen bedeuten, denn letzterer wird von den Arbeitgebern in den meisten Fällen mit der Beratung der Arbeitnehmer beauftragt. Bei der Beratung sind dann jeweils alle möglichen Fallkonstellationen unter Berücksichtigung eventuell anstehender Gesetzesänderungen sowie der aktuellen Rechtsprechung der einschlägigen Gerichte abzudecken, um der Informationspflicht ausreichend nachzukommen.
Die Entscheidung des BAG kann mit Spannung erwartet werden, denn gegebenenfalls kommt auf die Betroffenen ein hoher Beratungsaufwand zu.