Bundesverfassungsgericht sticht Bundessozialgericht aus: Rentenzahlungen von Pensionskasse sind unter bestimmten Voraussetzungen in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner (KVdR) nicht beitragspflichtig.

1. Oktober 2018vonvon

BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2018 – 1BvR 100/15, 1 BvR 249/15

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat per Beschluss entschieden, dass es sich nicht der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) über die KVdR-Pflicht für Pensionskassen anschließt, sondern folgt seiner bisherigen Rechtsprechung.

Für Leistungen aus einer privat fortgeführten Direktversicherung hatte es schon vor einiger Zeit entschieden, dass sie nicht der Beitragspflicht unterfällt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass es gegen das grundgesetzliche Gleichheitsgebot verstößt, wenn bei privat fortgeführten Pensions­kassen eine Beitragspflicht bestünde, aber bei privat geführten Lebensversicherungen nicht.

Das BSG hatte hingegen zuvor entschieden, dass die Leistungen einer Pensionskasse stets Leistungen einer betrieblichen Altersversorgung seien und aus diesem Grund eine Beitragspflicht bestünde. Das Gericht ist damit ebenfalls seiner vorhergehenden Entscheidungen treu geblieben und hatte die analoge Anwendung der Rechtsprechung auf die Beitragsfreiheit von Direktversicherungen abgelehnt. Das BSG hat stets vertreten, dass private und betriebliche Altersversorgung anhand der auszahlenden Institution zu unterscheiden sei. Eine Pensionskasse könne aus diesem Grund keine private Altersversorgung betreiben.

BVerfG hat das Urteil des BSG nun aufgehoben und klargestellt, dass in der oben dargestellten Typisierung des BSG eine Ungleichbehandlung besteht und diese gegen den Gleichheitssatz verstößt.

Diese Typisierung und Pauschalierung nach dem Zweck der Einrichtung sieht das Gericht als unzulässig an. Es sei nicht vertretbar, dass eine Pensionskasse keine private Altersversorgung betreiben könne. Es sei vielmehr darauf abzustellen, ob nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Versicherungsvertrag den institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechtes unverändert nutzt oder ob er aus dem betrieblichen Bezug gelöst wird. Allein der Zweck einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung schließt das Betreiben privater Altersversorge nicht aus. Arbeitnehmer, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen bestehenden Vertrag übernehmen oder auch einen neuen mit der Pensionskasse abschließen und diesen mit privaten Beiträge finanzieren, haben den institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechtes verlassen. Diese privaten Einzahlungen unterscheiden sich daher nur unwesentlich von Einzahlungen auf privat abgeschlossene Verträge. Solche Sachverhalte rechtfertigen keine unterschiedliche Behandlung. Das Gericht hat aus diesen Gründen den Verfassungsbeschwerden stattgegeben. Die Verfahren sind an die zuständigen Sozialgerichte zurückverwiesen worden.

Bedeutung für die Praxis:

Die Entscheidung des BVerfG ist zu begrüßen, denn durch die Ersparnis der KVdR wird die Attraktivität der Altersversorgung insgesamt gesteigert. Bei Fortbestehen der Beitragspflicht würden viele Verträge nach Ausscheiden beim Arbeitgeber nicht fortgeführt. Dies widerspricht jedoch dem Wunsch des Gesetzgebers, der die Eigenvorsorge stärken möchte.

Für die Pensionskassen bedeutet diese Entscheidung, dass auf sie ein höherer Verwaltungsaufwand zukommt. Die Pensionskassen müssen nun zwischen meldepflichtigen und nicht meldepflichtigen Versorgungsbezügen für die Kranken- und Pflegeversicherungen unterscheiden. Zudem muss auch zwischen pflichtversicherten Rentnern und freiwillig krankenversicherten Rentnern unterschieden werden, denn die Beitragspflicht besteht für letztere weiter.