Keine Hinterbliebenenversorgung, wenn Mindestehedauer unterschritten wird
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine Mindestehedauer von einem Jahr unter bestimmten Ausnahmen „noch angemessen“ ist.
Sachverhalt:
Der Arbeitgeber hatte seinem Mitarbeiter eine Versorgungszusage erteilt, wonach die Ehefrau im Falle des Todes des Mitarbeiters einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistung erhalten sollte. Die Versorgungszusage enthielt jedoch eine Mindestehedauerklausel, wonach die Hinterbliebenenleistung ausgeschlossen wurde, wenn die Ehe in den letzten 12 Monaten vor dem Tod des Mitarbeiters geschlossen worden ist, es sei denn der Mitarbeiter ist an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder an einer Krankheit, die erst nach der Eheschließung eingetreten ist, gestorben.
Die Ehe des Mitarbeiters hatte bei seinem Tod keine 12 Monate bestanden und der Mitarbeiter war weder an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls noch an einer Krankheit gestorben. Der Arbeitgeber verweigerte daher unter Bezugnahme auf die fehlende Mindestehedauer die Zahlung einer Hinterbliebenenleistung.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht hat im Rahmen einer Inhaltskontrolle der allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 BGB geprüft, ob die Mindestehedauerklausel wirksam vereinbart und nicht wegen einer unangemessenen Benachteiligung der Ehefrau unwirksam ist.
Eine unangemessene Benachteiligung sieht das Bundesarbeitsgericht dann als gegeben an, wenn durch die Abweichung von einer gesetzlichen Regelung deren „Gerechtigkeitskern“ beeinträchtigt wird. Im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den Interessen des Versorgungsberechtigten und den Interessen des Arbeitgebers kommt das Bundesarbeitsgericht zu dem Schluss, dass der Arbeitgeber eine zugesagte Hinterbliebenenversorgung im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ausschließen kann, wenn die Ehe bis zum Tod des Mitarbeiters nicht mindestens zwölf Monate gedauert hat. Der Hinterbliebene muss jedoch die Möglichkeit haben, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der vorzeitige Tod des Ehepartners aufgrund eines erst nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder einer erst später eingetretenen Krankheit eingetreten ist.
Bedeutung für die Praxis:
Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits mit Urteil vom 19.02.2019 (3 AZR 150/18) entschieden, dass eine Mindestehedauer von 10 Jahren für den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung eine unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten darstellt.
Unklar war bislang, ob eine Mindestehedauer von bis zu einem Jahr, die sich an den Fristen der gesetzlichen Rentenversicherung zum Ausschluss einer Versorgungsehe anlehnt, zulässig ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht jetzt bejaht, allerdings mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Ausnahmeklausel für bestimmte Fälle.
Bestehende Versorgungszusagen sollten im Hinblick auf eine mögliche Mindestehedauer geprüft und ggf. an die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angepasst werden.
(BAG, Urteil vom 02. Dezember 2021 – 3 AZR 254/21)