Einheitliche Besteuerung eines vor 2005 abgeschlossenen begünstigten Versicherungsvertrags

15. Dezember 2021vonvon

Sachverhalt:
Der Kläger hatte Ende der 90er Jahre eine private Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragszahlung mit abgekürzter Beitragszahlungsdauer abgeschlossen. Nach 12 Jahren Vertragslaufzeit beantragte der Kläger die Auszahlung in Form einer laufenden Rente. Diese beinhaltete eine Grundrente sowie Überschussanteile.

Zwischen dem Finanzamt und dem Kläger war streitig, ob die Rentenleistungen mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG 2004 oder aufgrund des in der Rentenversicherung enthaltenen Kapitalwahlrechts als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 zu besteuern sind.

Entscheidung:
Nach Ansicht des BFH sind die sonstigen Einkünfte nach § 22 EStG gegenüber den übrigen Einkunftsarten und damit auch gegenüber den Einkünften aus Kapitalvermögen subsidiär.

Bei der abgeschlossenen Rentenversicherung handelt es sich aufgrund des enthaltenen Kapitalwahlrechts um eine Versicherung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004, deren Leistung als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerfrei sei.

Dies gilt aus Sicht des BFH auch dann, wenn anstelle einer Kapitalauszahlung eine Rentenzahlung gewählt wurde. Da der Versicherungsvertrag zu den begünstigten Verträgen im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. gehört, gilt die Steuerbefreiung. Auf die Art und Weise der Auszahlung der Erträge kommt es laut BFH nicht an.

Der § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004 erfasst nach seinem Wortlaut die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Versicherungsbeiträgen enthaltenen Sparanteilen. Dieses gilt nach Auffassung des BFH auch für die in den Rentenzahlungen enthaltenen Zinsanteile aus der Rentenphase. Da der Rentenanspruch, inklusive der Zinsanteile aus einem einheitlichen Versicherungsvertrag resultiert, ist, schon aus Praktikabilitätsgründen, eine einheitliche Besteuerung der Rentenbezüge vorzunehmen.

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Gesamtbezüge nicht der Besteuerung zu unterwerfen sind, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt.

Tipp für die Praxis:
Sofern dieses sehr überraschende Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird, wäre dieses nicht nur auf den entschiedenen Einzelfall, sondern für alle gleichgerichteten bis 2004 abgeschlossene Verträge anzuwenden. Da hier eine Vielzahl von Versicherungen betroffen wären, bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung hierzu positioniert.

Für Verträge, die nach dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden, gilt § 22 Nr. 5 EStG i.V.m § 20 Nr. 6 EStG in der aktuellen Fassung, nach dem nur bei Wahl eines einmaligen Kapitals Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen.

(BFH Entscheidung vom 01.07.2021 – VIII R 4/18)

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