Wegfall der Rentenanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage?

17. Dezember 2020vonvon

In seinem Urteil vom 12.05.2020 (3 AZR 157/19) zum Zeitpunkt der Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Reduzierung der Pensionskassenleistung (siehe hierzu Newsletter 3/2020) hat das Bundesarbeitsgericht beiläufig angedeutet, dass es die anhaltende Niedrigzinsphase als Rechtfertigungsgrund für eine entsprechende Anpassung der Versorgungszusage im Rahmen einer Störung der Geschäftsgrundlage anerkennen könnte.

Nunmehr hatte das Bundesarbeitsgericht einen etwas anderes gelagerten Fall zu beurteilen. Vorliegend ging es nicht um eine unvorhergesehene Kürzung einer Pensionskassenleistung, sondern um die Pflicht zur Rentenanpassung aus einer Pensionszusage.

Sachverhalt:
Der ehemalige Arbeitgeber verweigerte die Anpassung einer Witwenrente. Die Weigerung begründete er mit einem starken Anstieg der Pensionsrückstellungen aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase sowie der BilMoG-Regeln. Diese Änderung stellten nach Ansicht des Arbeitgebers eine Störung der Geschäftsgrundlage dar, die ihn zur Aussetzung der Rentenanpassung berechtigte.

Entscheidung:
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts rechtfertigt eine Änderung von bilanziellen Bestimmungen nicht die Anpassung von Versorgungsregelungen wegen Störung der Geschäftsgrundlage. Zwar ist es nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich möglich, eine Vertragsänderung auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu stützen, allerdings waren im vorliegenden Fall die entsprechenden Voraussetzungen für eine solche Störung der Geschäftsgrundlage nicht gegeben.

Eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB liegt immer dann vor, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Vertragsparteien den Vertrag so nicht abgeschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.

Das Bundesarbeitsgericht sieht die erhöhten Rückstellungen, auf die der Arbeitgeber seine Weigerung zur Rentenanpassung stützt, im Wesentlichen als ein Instrument der Innenfinanzierung an. Die Rückstellungen haben dabei zwar Auswirkungen auf den bilanziellen Gewinn bzw. Verlust des Unternehmens, allerdings berechtigt eine schlechte wirtschaftliche Lage weder zu einem Widerruf der Betriebsrenten noch zu einer Änderung der Rentenanpassung.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts widerspräche die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage aus den vom Arbeitgeber aufgeführten Gründen, der gesetzlichen Risikoverteilung, wenn nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage zu einem Widerruf der Versorgungszusage berechtigt.

Bedeutung für die Praxis:
Die vorsichtige Hoffnung vieler Arbeitgeber, aufgrund des Urteils vom 12.05.2020 (3 AZR 157/19) künftig die anhaltende Niedrigzinsphase und ausufernde Pensionsrückstellungen zu einem Eingriff in die Versorgungszusage nutzen zu können, hat sich zerschlagen. Die Arbeitgeber bleiben auch im schwierigen finanziellen Umfeld grundsätzlich in vollem Umfang weiter an die erteilten Versorgungszusagen gebunden.

(BAG, Urteil vom 08.12.2020 – 3 AZR 64/19)