Informationspflichten des Arbeitgebers

17. Dezember 2020vonvon

Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des LAG Hamm vom 06.02.2017 – 4 Sa 852/17 (siehe Newsletter 3/2018) korrigiert. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte einem Arbeitnehmer Schadensersatz zugesprochen, da der Arbeitgeber bzw. dessen Erfüllungsgehilfe seiner Informationspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei.

Sachverhalt:
Der Kläger war elf Jahre bei der Beklagten angestellt. Der Beklagte ist Mitglied in einer Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände VKA und dadurch an die für den öffentlichen Dienst maßgeblichen Tarifverträge gebunden. Die Tarifverträge sahen zur Entgeltumwandlung vor, dass diese nicht nur bei öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen abgeschlossen werden kann, sondern auch bei Sparkassen-Finanzgruppen oder bei Kommunalversicherern. Der Beklagte entschied sich für eine Sparkassen-Finanzgruppe. Der Kläger schloss bei dieser eine betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung ab. Das Arbeitsentgelt des Klägers lag ab 2003 durchgängig oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (BBG) für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung. Bei einer Betriebsversammlung informierte ein Mitarbeiter der Sparkassenfinanzierungsgruppe über die Möglichkeiten der Entgeltumwandlung. Ein Tagesordnungspunkt der Informationsveranstaltung war das Thema der Netto-Lohnerhöhung. Darüber hinaus wurde auch die Möglichkeit von Einzelgesprächen angeboten. Von diesem Angebot machte der Kläger allerdings keinen Gebrauch. Zur gleichen Zeit wurde im Bundestag über eine Gesetzesänderung für die Beitragspflichten zur Kranken- und Pflegeversicherung diskutiert. Die Gesetzesänderung ist zu Beginn des darauffolgenden neuen Jahres in Kraft getreten und hatte zur Folge, dass auch Kapitalleistungen zum beitragspflichtigen Einkommen nach § 229 SGB V als Versorgungsbezug galten. Der Kläger verlangt Ersatz der Beiträge, die er an die gesetzliche Krankenversicherung abführen muss. Er sei nicht darüber informiert worden, dass eine Gesetzesänderung über die Beitragspflicht bevorstehe. Hätte er dies gewusst, dann hätte er sich für eine private Vorsorge entschieden.

Das LAG Hamm hat der Klage stattgegeben. Nach Auffassung des LAG Hamm war der Arbeitgeber bzw. der von ihm beauftragte Spezialist verpflichtet, vollumfänglich aufzuklären. Dazu gehören nach Auffassung des LAG Hamm auch anstehende Gesetzesänderungen. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass bei der Betriebsversammlung mit der Chance auf Netto-Lohnerhöhung geworben wurde, hätte sensibel mit der anstehenden Gesetzesänderung umgegangen werden müssen.

Entscheidung:
Anders, als das LAG Hamm sah das Bundesarbeitsgericht keine Verletzung der Informations- und Hinweispflichten durch den Arbeitgeber und lehnte den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers ab.

Das BAG hat klargestellt, dass es keine gesetzliche Verpflichtung Beratungs- und Informationspflicht des Arbeitgebers gibt. Dennoch können sich Hinweis- und Informationspflichten als arbeitsvertragliche Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. Aufgrund dieser arbeitsvertraglichen Nebenpflicht kann der Arbeitgeber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts verpflichtet sein, im Einzelfall Informationen zu erteilen. Dies gilt nach Auffassung des BAG insbesondere dann, wenn eine Vereinbarung auf Veranlassung oder im Interesse des Arbeitgebers geschlossen wird und dem Arbeitnehmer durch diese Vereinbarung Nachteile entstehen. Einen Vertragsschluss auf Veranlassung des Arbeitgebers sah das Bundesarbeitsgericht vorliegend nicht als gegeben an. Auch lägen keine Umstände vor, die darauf schließen ließen, dass der Arbeitgeber besonders stark darauf hingewirkt habe, dass der Arbeitnehmer Entgeltumwandlung durchführt. Allein die Information über die Möglichkeit einer Entgeltumwandlung führe nicht zu der Annahme, dass der Vertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers geschlossen worden sei.

Eine Informationspflicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht kann sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes aber auch dann ergeben, wenn der Arbeitgeber über eine größere Informationsnähe verfügt und der Arbeitnehmer sich die notwendigen Informationen nicht ohne größere Schwierigkeiten beschaffen kann. Im konkreten Fall sah das Bundesarbeitsgericht jedoch keine größere Nähe des Arbeitgebers zu den Informationen über die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen der Entgeltumwandlung und sah auch insoweit eine Informationspflicht des Arbeitgebers nicht als gegeben an.

Erteilt der Arbeitgeber Informationen, ohne dazu verpflichtet zu sein, müssen diese Informationen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts richtig, eindeutig und vollständig sein. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes hat der Arbeitgeber diese Verpflichtung erfüllt. Eine Verpflichtung, über die Möglichkeit einer Gesetzesänderung zur Beitragspflicht bei Kapitalzahlungen aus der Direktversicherung zu informieren, bestand nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes nicht, da die Gesetzesänderung zum Zeitpunkt der Betriebsversammlung noch nicht absehbar war. Die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, den Arbeitnehmer nachträglich über die Gesetzesänderung zu informieren, hat das Bundesarbeitsgericht offengelassen. Eine solche Pflicht zur nachträglichen Information käme nur dann in Betracht, wenn die Änderung der Sach- oder Rechtslage Auswirkungen auf die Richtigkeit der ursprünglichen Information gehabt hätte. Über die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen hatte der Arbeitgeber im vorliegenden Fall jedoch nicht informiert.

Da nach Überzeugung des Bundesarbeitsgerichts keine Verletzung der Informationspflichten vorlag, konnte die Frage, ob der Berater als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers anzusehen ist und der Arbeitgeber somit für etwaige Falschinformationen des Beraters haftet, offenbleiben. Dennoch hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass allein die Tatsache, dass ein Arbeitgeber zulässt, dass ein Berater über Produkte der betrieblichen Altersversorgung informiert, nicht dazu führt, dass dieser als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers anzusehen ist. Dies gilt auch für eine Information im Rahmen einer Betriebsversammlung, denn diese wird nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Betriebsrat durchgeführt.

Bedeutung für die Praxis:
Die Informations- und Aufklärungspflicht des Arbeitgebers gewinnt im Dschungel der bAV, und insbesondere im Rahmen der Entgeltumwandlung, an immer größerer Bedeutung. Gerade Arbeitgeber, die ihre Fürsorgepflicht besonders ernst nehmen, wolle ihre Arbeitnehmer meist möglichst umfassend informieren. Für den Arbeitgeber ist der Weg zwischen Information und Haftung jedoch oft ein schmaler Grat. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts lässt viele Arbeitgeber und deren Berater aufatmen, denn nach der Rechtsprechung des LAG Hamm wären auf die Arbeitgeber weit umfangreichere Informationspflichten zugekommen als nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Eine vollständige Entwarnung ist für Arbeitgeber jedoch nicht gegeben. Die Arbeitgeber müssen sich nach wie vor entscheiden, ob sie aus Fürsorge gegenüber den Mitarbeitern, diese möglichst gut beraten wollen und somit dann aber auch weitreichend für fehlende Informationen haften und sogar über nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage informieren müssen, oder ob sie nur absolut notwendige Informationen zur Verfügung stellen, um eine mögliche Haftung zu minimieren. Auch der Einsatz von Beratern zur Information der Mitarbeiter ist durch dieses Urteil noch nicht abschließend geklärt.

(BAG, Urteil vom 18.02.2020 – 3 AZR 206/18)