Kein Widerspruch wegen fehlender Belehrung nach versicherungsvertraglicher Lösung

13. Juli 2020vonvon

Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass eine Versorgungsberechtigte, die im Rahmen einer versicherungsvertraglichen Lösung die Direktversicherung als Versicherungsnehmerin übernommen hat, dem ursprünglichen Versicherungsabschluss nicht deshalb widersprechen kann, weil ihr ehemaliger Arbeitgeber über das Widerspruchsrecht nicht aufgeklärt worden ist.

Sachverhalt:
Im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung hatte der ehemalige Arbeitgeber der Klägerin zu deren Gunsten eine Direktversicherung abgeschlossen. Bei Abschluss der Direktversicherung im Jahr 2002 wurde dieser, nach Auffassung der Klägerin über die Möglichkeit eines Widerspruchs gegen den Versicherungsvertrag nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Nach Ausscheiden aus dem Unternehmen im Jahr 2017 übertrug der Arbeitgeber die Versicherungsnehmereigenschaft der Direktversicherung im Rahmen der versicherungsvertraglichen Lösung auf die Klägerin. Die Klägerin führte die Versicherung zunächst beitragsfrei fort. Im Jahr 2018 widersprach sie dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags und forderte den Versicherer zur Rückabwicklung auf. Die Klägerin war der Auffassung, dass die Widerspruchsfrist nach § 5a VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden wäre, weil ihr ehemaliger Arbeitgeber bei Abschluss der Direktversicherung nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht aufgeklärt worden sei.

Der Versicherer lehnte den Widerspruch mit dem Argument ab, dass der Arbeitgeber ordnungsgemäß belehrt worden sei. Auch würden die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum unbefristeten Widerspruchsrecht nur für Verbraucher gelten, nicht jedoch für den Arbeitgeber als juristische Person. Zudem stünde das Widerspruchsrecht nicht der Klägerin, sondern ausschließlich dem ehemaligen Arbeitgeber, zu. Durch den Versicherungsnehmerwechsel sei kein eigenständiges Widerspruchsrecht der Klägerin entstanden, denn es kam zu keinem neuen Vertragsabschluss.

Entscheidung:
Nach Auffassung des OLG Stuttgart steht der Klägerin aufgrund des Versicherungsnehmerwechsels kein originäres Widerspruchsrecht zu, da hierdurch kein neuer Versicherungsvertrag abgeschlossen wurde. Eine Belehrung nach § 5a VVG a.F. musste insofern auch nicht erfolgen. Die Klägerin ist aufgrund des Versicherungsnehmerwechseln im Rahmen der versicherungsvertraglichen Lösung nicht in vergleichbarer Weise schutzbedürftig, wie bei dem Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages, da die Auswahlentscheidung hinsichtlich des Versicherers und des Produktes im Zeitpunkt des Versicherungsnehmerwechsels bereits gefallen war.

Ein Widerspruchsrecht aus übergegangenem Recht des ehemaligen Arbeitgebers sieht das OLG Stuttgart ebenfalls nicht als gegeben an. Die Frage, ob dem ehemaligen Arbeitgeber ein Widerspruchsrecht zustünde, ließ das OLG Stuttgart unter Berufung auf § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, offen. Die vom BGH entwickelte einschränkende Auslegung von § 5 Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. – bei nicht ordnungsgemäßer Aufklärung über das Widerspruchsrecht ist ein Widerspruch auch noch Jahre später möglich – findet nach Auffassung des OLG Stuttgart nur auf Verbraucher Anwendung. Entscheidend sei, ob der Versicherungsnehmer eine natürliche Person sei, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, abschließt. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des ehemaligen Arbeitgebers als „Nicht-Verbraucher“ sah das OLG Stuttgart hier nicht als gegeben an.

Die Entscheidung darüber, ob der ehemalige Arbeitgeber ordnungsgemäß belehrt worden war, ließ das OLG Stuttgart offen.

Gegen diese Entscheidung hat das OLG Stuttgart wegen der grundsätzlichen Bedeutung Revision zugelassen.

Bedeutung für die Praxis:
Die Frage, ob die ehemalige Direktversicherung bei einem Versicherungsnehmerwechsel aufgrund einer versicherungsvertraglichen Lösung von dem Versorgungsberechtigten durch Widerspruch rückabgewickelt werden kann, beschäftigt die Versicherungsunternehmen schon seit langem. Der Entscheidung des OLG Stuttgart kommt auch im Hinblick auf bereits ausgeübte versicherungsvertragliche Lösungen eine nicht unerhebliche Bedeutung zu, denn mit der Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft der Direktversicherung auf die versorgungsberechtigte Person findet entgegen der landläufigen Meinung keine vollständige Enthaftung des Arbeitgebers statt. Die Haftung des Arbeitgebers ist auf Grund der versicherungsvertraglichen Lösung lediglich der Höhe nach auf die Leistung beschränkt, die sich aus der abgeschlossenen Direktversicherung ergibt. Das Versorgungsversprechen an sich erlischt dabei jedoch nicht. Gibt der Arbeitgeber die Versicherung der versorgungsberechtigten Person mit und kann diese die Versicherung rückabwickeln wäre fraglich, wie sich dies auf das Versorgungsversprechen des Arbeitgebers auswirken würde.

(OLG Stuttgart, Urteil vom 28.05.2020 – 7 U 499/19)