EuGH entscheidet über Haftung des Erwerbers eines insolventen Betriebs

10. Dezember 2018vonvon

BAG, Beschluss vom 16.10.2018 -3 AZR 139/17

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte über den Haftungsumfang von betrieblichen Altersversorgungen (bAV) im Zusammenhang einer Insolvenz und einem Betriebs-übergang zu entscheiden. Das Gericht hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Vorabentscheidung gebeten.

Tatbestand:

Den beiden Klägern wurde eine bAV von ihrer Arbeitgeberin zugesagt. Nach der zugrunde liegenden Versorgungsordnung berechnete sich die Betriebsrente nach der Anzahl der Dienstjahre und dem erzielten Gehalt. Das Gehalt sollte zu einem bestimmten Stichtag vor dem Ausscheiden bestimmt werden. Über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Betrieb ging kurz darauf auf die Beklagte über.

Einer der Kläger erhält aufgrund des Betriebs­übergang nach 613 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einen Teil der Rente von der Beklagten und einen Teil vom PSVaG. Dieser Teil beruht, wie vom Betriebsrentengesetz (BetrAVG) geregelt, auf der Höhe des Gehalts des Klägers zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Kläger vertritt jedoch die Meinung, dass er einen höheren Rentenanspruch gegenüber dem Erwerber habe. Seiner Meinung nach müsse sich die Rente nach den Bestimmungen der Versorgung auf der Basis des zum Stichtag vor dem Versorgungsfall bezo­genen Gehalts unter bloßem Abzug des Betrags errechnen, den er vom PSVaG erhalte.

Der zweite Kläger hat keine gesetzlich un­verfallbaren Anwartschaften, und er erhält somit auch keine Rente vom PSVaG. Er verlangt nun auf dem Klageweg von der Beklagten die Betriebs­rente in voller Höhe nach der Versorgungsord­nung der früheren Arbeitgeberin.

Entscheidung:

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass nach der derzeitigen, im Hinblick auf die besonderen Ver­teilungsgrundsätze des Insolvenzrechts ein­schränkenden Auslegung von § 613 a Abs 1 BGB die Kläger keinen Erfolg mit Ihren Klagen haben. Der Senat möchte nun vom EuGH überprüfen lassen, ob diese Regelungen mit den Art. 3 Abs. 4 und Art. 5 Abs 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/23/EG Europäischen Regelungen vereinbar sind und ob gegebenenfalls Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG unmittelbare Geltung habe und sich Arbeitnehmer deshalb auch gegenüber dem PSVaG auf diesen berufen können.

Bedeutung für die Praxis:

Die Entscheidung des EuGHs ist mit Spannung zu erwarten, denn sollte dieser die nationalen nicht mit den europäischen Regelungen für vereinbar sehen, dann hat dies weitreichende Auswirkungen auf jeden Betriebsübergang in einem laufenden Insolvenzverfahren. Es ist jetzt noch nicht abzuschätzen, in welchem Umfang Erwerber für Anwartschaften des insolventen Arbeitgebers zu haften hätten. Sollte der EuGH aber zu einer umfassenden Haftung kommen, dann wäre damit für die Erwerber ein großes finanzielles Risiko verbunden. Dies würde letztlich dazu führen, dass Betriebsübergange weniger attraktiv würden, und dies würde sich mittelbar auf Arbeitsplätze aus­wirken.