Kein Anspruch auf Kündigung einer Gehaltsumwandlungs-Direktversicherung im bestehenden Arbeitsverhältnis aufgrund eines finanziellen Engpasses (BAG, Urteil vom 26.04.2018 – 3 AZR 586/16)

2. Juli 2018vonvon

Sachverhalt:

Der Arbeitgeber hat zu Gunsten seines Arbeitnehmers eine Direktversicherung abgeschlossen. Die Finanzierung erfolgte durch Entgeltumwandlung. Aufgrund einer finanziellen Notlage verlangt der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber die Kündigung dieser Direktversicherung. Er benötige das Geld, um eine Zwangsvollstreckung in seine Immobilie zu verhindern. Der Arbeitgeber weigerte sich, den Vertrag zu kündigen. Der Arbeitnehmer trägt weiter vor, dass der Arbeitgeber für die finanzielle Notlage mit verantwortlich sei, da er Entgeltfortzahlungsansprüche erst erfüllt habe, nachdem der Arbeitnehmer sie gerichtlich geltend gemacht habe.

Entscheidung:

Der dritte Senat wie auch die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Gericht entschied, dass der Arbeitnehmer kein überwiegendes Interesse an der Kündigung habe, welches geeignet sei, die bezweckte Altersabsicherung zu beseitigen. Daran konnte nach Ansicht des Gerichts auch die Mitverursachung des Arbeitgebers nichts ändern, der Entgeltfortzahlungsansprüche erst nach gerichtlicher Geltendmachung gezahlt hat.

Der Arbeitnehmer könne sich nicht auf Schutz- und Rücksichtnahmepflichten des Arbeitgebers berufen, da diese Pflichten grundsätzlich nicht ausschließlich private Vermögensinteressen des Arbeitnehmers umfassen. Dies gilt selbst dann, wenn die behauptete finanzielle Notlage wie hier im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidungsbegründung letztlich offengelassen, ob es der Interessenabwägung des Landgerichts gefolgt sei, dass es mildere Maßnahmen gebe, um die Zwangsvollstreckung zu verhindern. Das Bundesarbeitsgericht stellt vielmehr darauf ab, dass letztlich die sozialpolitischen Gründe, die auch das Landgericht zu Grunde gelegt hat, entscheidend gegen eine Kündigungspflicht sprechen. Das Betriebsrentengesetz regelt, dass die Entgeltumwandlung dazu diene, den Lebensstandard des Arbeitnehmers im Alter abzusichern. Insoweit sei auch im Interesse des Arbeitnehmers seine betriebliche Altersversorgung aufrecht zu erhalten. Der Gesetzgeber will damit gerade erreichen, dass der Arbeitnehmer eine Altersabsicherung erhält und verhindern, dass unverfallbare Anwartschaften vor Eintritt des Versorgungsfalls ausgezahlt werden. Aus diesem Grund sieht das Gericht keinen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Kündigung der Direktversicherung, da die vorzeitige Kündigung und Verwendung des Rückkaufswertes für den Ausgleich von Schulden dem Zweck der Alterssicherung widerspreche. Weiter geht das Gericht davon aus, dass dahinstehen kann, ob etwas anderes gelten würde, wenn eine Zwangsversteigerung seines Hauses unmittelbar bevor stünde und die Auflösung der Direktversicherung mit der Auszahlung des Rückkaufswerts den Verlust des selbst genutzten Wohneigentums verhindere. Schließlich habe der Arbeitnehmer eine solche akute Notlage nicht vorgetragen.

Bedeutung für die Praxis:

Grundsätzlich ist die Entscheidung des Gerichts begrüßenswert. Sie spiegelt den Willen des Gesetzgebers des Betriebsrentengesetzes wieder.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Kläger im vorliegenden Fall lediglich eine abstrakte Gefahr für die Finanzierung seiner Wohnimmobilie geltend gemacht hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Urteilsbegründung durchblicken lassen, dass es davon ausgeht, dass es sehr wohl Sachverhalte gibt, die einen Anspruch auf Kündigung begründen können, so dass die sozialpolitischen Erwägungen und damit das Ziel des Betriebsrentengesetzes in den Hintergrund rücken können. Ob eine akute Notlage, wie beispielsweise eine unmittelbar bevorstehende Zwangsversteigerung der Wohnimmobilie des Arbeitnehmers, einen Anspruch auf Kündigung der Direktversicherung begründen könnte, hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen.