Hinterbliebenenversorgung – Angemessenheitskontrolle

20. Juli 2017vonvon

BAG, Urteil vom 21. Februar 2017 – 3 AZR 297/15
Sachverhalt:

Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer in einer Formularzusage neben einer Altersversorgung im Falle seines Todes auch eine Hinterbliebenen­versorgung für die „jetzige“ Ehefrau zugesagt unter der Bedingung, dass die Ehe bis zum Ein­tritt des Todes fortbesteht. Nach seinem Aus­scheiden aus dem Unternehmen ließ sich der Arbeitnehmer scheiden und heiratete erneut. Der Arbeitnehmer klagte nunmehr gegen den PSVaG, der aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers einstandspflichtig war, auf Feststellung, dass sich aus der Versorgungszusage ein Anspruch „Hin­terbliebenenversorgung für die neue Ehefrau“ ergebe.

Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat eine Inhalts­kontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB durchgeführt und dabei festgestellt, dass eine Beschränkung der Hinterbliebenenleistung auf die „jetzige“ Ehefrau eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben darstellt. Der Versorgungsberechtigte hat ein schützenswertes Interesse daran, dass die Ehe­frau versorgt wird, mit der er bei Eintritt des Todes in gültiger Ehe gelebt hat. Die Verein­barung, dass die Hinterbliebenenleistung nur von der „jetzigen“ Ehefrau in Anspruch genommen werden kann, also der Ehefrau, mit der der Ver­sorgungsberechtigte bei Erteilung der Versor­gungszusage verheiratet war, ist daher unwirk­sam. Danach wäre grundsätzlich diejenige Ehefrau begünstigt, mit der der Versorgungs­berechtigte bei Eintritt des Todes in gültiger Ehe gelebt hat. Zum Schutz des Arbeitgebers muss jedoch eine ergänzende Vertragsauslegung da­hingehend erfolgen, dass der Anspruch nur dann besteht, wenn diese Ehe während des laufenden Arbeitsverhältnisses geschlossen worden ist. Die bloße Streichung des Wortes „jetzige“ würde andernfalls zu einer unzumutbaren Härte gegen­über dem Arbeitgeber führen.

Bedeutung für die Praxis:

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts greift massiv in die Entscheidungsfreiheit des Arbeit­gebers ein. Individuell vereinbarte formular­mäßige Versorgungszusagen, die auf die „jetzige“ Ehefrau oder ähnliche Begriffe ver­weisen, sollten überprüft werden. Es empfiehlt sich, in diesen Fällen mit dem Versorgungs­berechtigten einschränkende Regelungen wie z. B. eine Spätehenklausel oder eine Altersab­standsklausel zu vereinbaren. Auch kollektive Versorgungszusagen sollten vorsorglich überprüft und soweit möglich angepasst werden.