Hinterbliebenenversorgung – Spätehenklausel – Diskriminierung wegen Alters

5. Oktober 2015vonvon

BAG, Urteil vom 04.08.2015 – 3 AZR 404/13 – Presse­mitteilung Nr. 40/15
Tatbestand:

Die Witwe des verstorbenen Arbeitnehmers klagte auf die Zahlung einer in der Versor­gungsordnung zugesagten Hinterbliebenenver­sorgung. Die Versorgungsordnung enthielt jedoch eine sog. Spätehenklausel. Ein Anspruch auf die Hinterbliebenenversorgung besteht nach dieser Klausel nur dann, wenn die Ehe vor Voll­endung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen wurde. Im vorliegenden Fall wurde die Ehe des Arbeitnehmers mit der Klägerin jedoch nach Vollendung des 63. Lebensjahres geschlossen, so dass die Beklagte die Leistung unter Berufung auf die Spätehenklausel verwei­gerte. Die Klägerin dagegen war der Ansicht, dass die Spätehenklausel eine Diskriminierung wegen des Alters darstelle und damit unwirksam sei.

Entscheidung:

Das BAG schloss sich der Ansicht der Klägerin an und entschied, dass eine unmittelbare Diskrimi­nierung wegen des Alters vorliegt, welche weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 10 S. 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt ist. Bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ist gem. § 10 S. 3 Nr. 4 AGG die Festsetzung von Altersgrenzen unter erleichterten Voraussetzun­gen möglich. Dies gilt allerdings nur im Hinblick auf die Alters- und Invaliditätsversorgung, nicht jedoch für die Hinterbliebenenversorgung. Die Rechtfertigung der unmittelbaren Altersdiskrimi­nierung im Rahmen der Hinterbliebenenversor­gung unterliegt somit den strengeren Vor­schriften des § 10 S. 1 und 2 AGG. Die Festset­zung der Altersgrenze muss objektiv, ange­messen und durch ein legitimes Ziel gerecht­fertigt sein. Darüber hinaus müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erfor­derlich sein. Nach Ansicht des BAG führt die in der vorliegenden Versorgungsordnung vereinbar­te Spätehenklausel zu einer übermäßigen Beein­trächtigung der legitimen Interessen der versor­gungsberechtigten Arbeitnehmer und ist somit gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

Bedeutung für die Praxis:

Ist die Hinterbliebenenleistung nicht individuell sondern kollektiv zugesagt, enthalten viele Ver­sorgungsordnungen und auch einige individuelle Zusagen Spätehenklauseln, die unmittelbar an das Alter des Arbeitnehmers anknüpfen. Diese sollten geändert werden. Nach der bisherigen Rechtsprechung sind des BAG sind Spätehen­klauseln, die nicht unmittelbar an das Alters des Arbeitnehmers sondern an das Bestehen des Dienstverhältnisses anknüpfen, zulässig und stellen keine Diskriminierung wegen Alters dar. Sieht die Versorgungsordnung z.B. vor, dass die Ehe während des bestehenden Dienstvehält­nisses oder vor Eintritt in den Ruhestand geschlossen worden sein muss, so sind diese Klauseln nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG zulässig.