Einstandspflicht des Arbeitgebers – des einen Freud, des anderen Leid

11. Juli 2023vonvon

Sachverhalt:
Die Klägerin bezog bereits seit mehreren Jahren eine Versorgungsleistung aus einer Zusage über eine Pensionskasse. Im Jahr 2019 kürzte die Pensionskasse die Versorgungsleistungen. Aufgrund dessen forderte die Klägerin die Zahlung des Differenzbetrages nunmehr von ihrem ehemaligen Arbeitgeber ein.

 

 

Dieser weigerte sich jedoch zu zahlen und behauptete, dass er weder eine bestimmte Art der Altersversorgung noch eine bestimmte Versorgungsleistung zusagt hätte. Es würde sich hier um eine reine Beitragszusage handeln, die nicht dem Schutzbereich des Betriebsrentengesetzes unterfällt. Außerdem wäre die Leistung nur im Umfang der Satzung der Pensionskasse geschuldet. Eine satzungsgemäße Kürzung der Leistungen durch die Pensionskasse würde damit auch für die Leistungspflicht des Arbeitgebers gelten. Dieser Meinung wollten sich jedoch weder das BAG, noch die Vorinstanzen anschließen.

 

Entscheidung:
Das BAG hat der Klägerin Recht gegeben und die Einstandspflicht des Arbeitgebers für die zugesagte Leistung nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrVG anerkannt. Der Arbeitgeber habe sich lediglich der Pensionskasse als „Instrument“ zur Erfüllung seiner Leistungspflicht bedient.

 

Eine reine Beitragszusage, bei der die Klägerin das volle Anlage- und Insolvenzrisiko getragen hätte, erkennt das BAG grundsätzlich an. Allerdings war nach Auffassung des BAG im vorliegenden Fall keine reine Beitragszusage erteilt worden. Dies ergibt sich nach Auffassung des BAG unter anderem durch eine Auslegung der Begrifflichkeiten des Dienstvertrages der Klägerin, die typischerweise Leistungen beschreiben, die das Betriebsrentengesetz als betriebliche Altersversorgung bezeichnet. Auch  die Durchführung der Versorgung über eine Pensionskasse im Sinne von § 1b Abs. 3 BetrAVG, spricht nach Auffassung des BAG für das Vorliegen einer betrieblichen Altersversorgung. Es hätte für die Erteilung einer reinen Beitragszusage nach Ansicht des BAG besonderer Anhaltspunkte bedurft, die jedoch hier nicht vorlagen.

 

Der dynamische Verweis auf die Satzung der Pensionskasse und deren Leistungsbedingungen wirkt sich nach Auffassung des BAGs zwar grundsätzlich auf die Versorgungszusage des Arbeitgebers aus, allerdings gilt dies nicht für Satzungsbestimmungen, die ausschließlich den Durchführungsweg an sich betreffen; somit die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem die Pensionskasse von den ursprünglich getroffenen Abreden abweichen darf, um einen Zusammenbruch der Pensionskasse zu verhindern. Diese „sogenannten Sanierungsklausen“ sollen nicht den Leistungscharakter der zugesagten betrieblichen Altersversorgung bestimmen, sondern sicherstellen, dass ein Insolvenzverfahren der Pensionskasse vermieden wird. Daher begründet ein dynamischer Verweis auf die Satzung einer Pensionskasse nach Auffassung des BAG kein akzessorisches Recht des Arbeitgebers zur Kürzung laufender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.

 

Bedeutung für die Praxis:
Bereits im Oktober 2020 hatte sich das BAG mit der Einstandspflicht des Arbeitgebers im Falle einer Reduzierung der Pensionskassenleistung zu befassen (BAG, Urteil vom 12.05.2020 – 3 AZR 157/19) . Damals hatte das BAG klargestellt, dass der Arbeitgeber im Falle einer Reduzierung der zugesagten Pensionskassenleistung nicht verpflichtet ist, diese Reduzierung durch eine Erhöhung der Beiträge an die Pensionskasse zu kompensieren. Offen blieb dabei jedoch die Frage, der Einstandspflicht des Arbeitgebers im Leistungsfall und inwieweit der Arbeitgeber ggf. aufgrund einer möglichen Störung der Geschäftsgrundlage in die Versorgungszusage eingreifen kann.

 

Das BAG führt seine ständige Rechtsprechung nun fort und stellt zu Gunsten der Arbeitnehmer ausdrücklich klar, dass der Arbeitgeber sich nicht auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Pensionskasse und deren Kürzung der Leistungen berufen kann, um die zugesagten Leistungen zu reduzieren. Aufgrund des § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG muss der Arbeitgeber im Leistungsfall einen Differenzbetrag, der auf einer Kürzung der Pensionskassenleistungen beruht, im Zweifel selbst erbringen. Die Tatsache, dass dies insoweit zu einer „Doppelbelastung“ des Arbeitgebers führt, lässt das BAG nicht als Eingriffsgrund in die Versorgungszusage gelten.

 

(BAG, Urteil vom 14. März 2023 – 3 AZR 197/22)

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