Voraussetzungen der Tarifermäßigung nach § 34 EStG

31. März 2023vonvon

Sachverhalt:
Eine GmbH erteilte der Klägerin eine Versorgungszusage, bei der in einem Nachtrag vereinbart wurde, dass die zugesagte Altersrente wertgleich in ein „Alterskapital“ in Höhe von 543.000 Euro umgewandelt wird. Die ehemalige Mitgesellschafterin schied zum vereinbarten Pensionsalter aus der GmbH.

 

 

Die GmbH zahlte das Kapital allerdings nicht wie in dem Nachtrag vereinbart in einem Betrag, sondern leistete in drei aufeinander folgenden Jahren mit unterschiedlichen Beträgen. Dabei entfielen ca. 88% des Betrages auf das erste Jahr. Für diesen Teilbetrag beantragte die Klägerin die Fünftelregelung anzuwenden, was die Finanzverwaltung mit der Begründung ablehnte, dass das Kapital nicht als Einmalzahlung bezogen wurde. Das Finanzgericht schloss sich der Ansicht der Finanzverwaltung an.

 

Entscheidung:
Voraussetzungen für die Anwendung der Fünftelregelung ist eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit und eine Zusammenballung der Einkünfte. Im vorliegenden Fall handelt es sich nach Auffassung des BFH zwar um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG darstellt, jedoch fehlt es nach Ansicht des BFH an dem Tatbestandsmerkmal einer Zusammenballung von Einkünften. Um außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG handelt es sich nach Auffassung des Gerichts nur dann, wenn die zu begünstigenden Einkünfte aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in einem einzigen Veranlagungszeitraum erfasst werden und es aufgrund der Zusammenballung von Einkünften zu einer erhöhten steuerlichen Belastung kommt.

 

Der Begriff „außerordentliche Einkünfte“ ist nach dem Sinn und Zweck der Fünftelregelung auszulegen. Sinn und Zweck ist die Abmilderung der einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung im Vergleich zur regelmäßigen sonstigen Besteuerung. Daher liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen gezahlt wird.

 

Die Rechtsprechung lässt allerdings, wenn auch nur in engen Grenzen, Ausnahmen zu. So kann zum Beispiel ausnahmsweise § 34 Abs. 1 EStG angewendet werden, wenn der ganz überwiegende Teil der Leistung in einem Betrag und daneben nur eine geringfügige Teilzahlung erfolgt. Eine weitere Ausnahme kann gegeben sein, wenn die eigentlich für einen einzigen Veranlagungszeitraum vorgesehene Leistung auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt wird, weil die Summe ungewöhnlich hoch ist und besondere Verhältnisse beim Zahlungspflichtigen vorliegen oder wenn der Zahlungsempfänger dringend auf eine Vorauszahlung angewiesen ist.

 

Der BFH stellt jedoch im vorliegenden Sachverhalt klar, dass hier keine dieser Ausnahmen in Betracht kommt. Dies ergebe sich unter anderem auch daraus, dass sich die Auszahlung über drei Veranlagungszeiträume erstreckte. Im Übrigen stellen die beiden Zahlungen in den Folgejahren keine geringfügigen Teilzahlungen dar.

 

Bedeutung für die Praxis:
Das Urteil des BFH zeigt wieder einmal, dass die Fünftelregelung nicht pauschal auf jede Kapitalleistung aus einer Versorgungszusage oder einer Unterstützungskassenzusage angewandt werden kann, sondern dass im Zweifel immer der Einzelfall zu prüfen ist.

 

(BFH, Urteil vom 15. Dezember 2022 – VI R 19/21)

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