Kapitalwahlrecht

31. März 2023vonvon

Sachverhalt:
Der Arbeitgeber hatte seinen Arbeitnehmern eine Altersrente über eine Gruppenunterstützungskasse zugesagt. Nach dem Leistungsplan der Unterstützungskasse durfte diese einseitig die Auszahlung einer einmaligen Kapitalleistung anstelle der lebenslangen Altersrente wählen. Die Höhe der Kapitalleistung entsprach der 10fachen Jahresrente.

 

 

Bei Eintritt des Leistungsfalles entschied sich der Arbeitgeber einseitig für die Auszahlung der Kapitalleistung. Die Arbeitnehmerin war damit jedoch nicht einverstanden, überwies das ausgezahlte Kapital zurück und forderte stattdessen die Zahlung der lebenslangen Altersrente.

 

Der Arbeitgeber wollte daraufhin gerichtlich feststellen lassen, dass er den Anspruch auf betriebliche Altersversorgung mit Auszahlung der einmaligen Kapitalleistung wirksam erfüllt hat und daher kein Anspruch auf Rentenzahlung besteht.

 

Entscheidung:
Mit seiner Klage hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts stellt das im Leistungsplan der Unterstützungskasse enthaltene Kapitalwahlrecht keine echte Wahlschuld dar. Eine Wahlschuld liegt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nur dann vor, wenn bei Abschluss des Vertrages noch nicht feststeht, ob bei Eintritt des Leistungsfalles eine Renten- oder eine Kapitalleistung erbracht wird. Da im Leistungsplan jedoch vorrangig eine Rentenleistung zugesagt war, wurde die Kapitaloption im vorliegenden Fall vom Bundesarbeitsgericht als einseitige Ersetzungsbefugnis qualifiziert.

 

Eine solche einseitige Ersetzungsbefugnis ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Unterstützungskasse jedoch nur dann wirksam, wenn die Abfindungshöhe mindestens dem versicherungsmathematischen Barwert der Rentenleistung entspricht. Die ausgezahlte Kapitalleistung in Höhe der 10fachen Jahresrente lag deutlich unter dem versicherungsmathematischen Barwert der Altersrente. Die einseitige Ersetzung der Altersrente war somit für die Versorgungsberechtigte nach § 308 Nr. 4 BGB unzumutbar. Mit der Auszahlung einer geringwertigeren Kapitalleistung würde der Versorgungsberechtigten bereits erdientes Entgelt im Nachhinein kurz vor dem Eintritt des Leistungsfalles teilweise wieder entzogen, obwohl sie die Gegenleistung bereits während des Beschäftigungsverhältnisses erbracht hat.

 

Nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts waren auch keine Interessen des Arbeitgebers ersichtlich, die das Interesse der Arbeitnehmerin an dem Erhalt des Wertes der zugesagten Versorgungsleistungen überwogen hätten.

 

Bedeutung für die Praxis:
Das Bundesarbeitsgericht hat erneut den Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung betont und einen ersten Schritt zur Definition einer gleichwertigen Kapitalleistung gemacht. Die wichtige Frage, welche Berechnungsparameter (insbesondere die Höhe des Zinssatzes) für die barwertgleiche Umrechnung in eine Kapitalleistung aus arbeitsrechtlicher Sicht anzusetzen sind, ist jedoch auch weiterhin offen.

 

Bestehende Versorgungszusagen und Versorgungsordnungen, die ein einseitiges Kapitalwahlrecht des Arbeitgebers beinhalten, sollten in jedem Fall möglichst zeitnah überprüft und gegebenenfalls an die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts angepasst werden.

 

(BAG, Urteil vom 17. Januar 2023 – 3 AZR 220/22)

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