Zur Tarifermäßigung bei Auszahlung des Rückkaufswertes einer Versicherung der betrieblichen Altersversorgung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG

17. Dezember 2020vonvon

Sachverhalt:
Der Kläger erhielt neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von einer Pensionskasse eine Einmalzahlung, die das Finanzamt als sonstige Einkünfte in vollem Umfang gemäß § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG der Besteuerung unterwarf.

Die Einmalzahlung kam aus zwei Rentenversicherungen, die der ehemalige Arbeitgeber des Klägers im Rahmen der bAV bei einer Pensionskasse abgeschlossen hatte. Die monatlichen Beiträge waren gemäß § 3 Nr. 63 EStG als steuerfrei behandelt worden.

Wegen eines finanziellen Engpasses des Klägers erfolgte zunächst eine Beitragsfreistellung der Pensionskassenverträge, die dann jedoch letztlich auf Wunsch des Klägers vom damaligen Arbeitgeber gekündigt und aufgelöst wurden. Den Rückkaufswert leitete der Arbeitgeber an den Kläger als Einmalzahlung weiter.

Der Kläger beantragte beim Finanzamt, die Einmalzahlung ermäßigt nach der sog. Fünftel-Regelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG zu besteuern, was von diesem abgelehnt wurde.

Dagegen klagte der Versorgungsberechtigte beim Finanzgericht und dieses gab der Klage statt. Das Finanzgericht sah die Einmalzahlung als Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG an, da sie nach Ansicht des Gerichts außerordentlich sei, denn die Kündigung wäre wegen bereits eingetretener Unverfallbarkeit der Anwartschaft gemäß § 1b BetrAVG eigentlich nicht mehr möglich gewesen. Eine vorzeitige Kündigung stellt nach Ansicht des Gerichts zudem nicht den „typischen Ablauf“ von Verträgen der betrieblichen Altersvorsorge dar, die auf den Erhalt von Leistungen bis zum Erreichen der Altersgrenze gerichtet seien. Eine Auszahlung bereits viele Jahre Eintritt eines Leistungsfalles widerspreche diesem Zweck und sei daher —jedenfalls ohne ausdrückliche Regelung im Vertrag— atypisch und damit außerordentlich.

Gegen diese Entscheidung legte das Finanzamt Revision ein, da nach Ansicht des Finanzamtes eine Verletzung des § 34 EStG vorlag. Die vom Finanzgericht für die Außerordentlichkeit der Einmalzahlung angeführten Gründe reichten nach Auffassung des Finanzamtes nicht aus. Die Kündigung war nach Auffassung des Finanzamtes vertragsgemäß, da sie im Einvernehmen mit der Pensionskasse erfolgte. Zudem erfolgt in der Praxis bei einer Kündigung eines Altersvorsorgevertrages vor Erreichen der Altersgrenze stets eine Auszahlung des Rückkaufswertes in Form einer Einmalzahlung.

Entscheidung:
Der BFH ist der Ansicht, dass nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die Auszahlung des Rückkaufswertes an den Kläger als Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG anzusehen ist und verweist die Sache zur Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Zwar hat das Finanzgericht zutreffend erkannt, dass die Auszahlung des Rückkaufswertes der beiden Rentenversicherungen das Tatbestandsmerkmal „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten“ der Tarifbegünstigungsvorschrift erfüllt, da die Voraussetzung der Mehrjährigkeit erfüllt ist, wenn die früheren Beitragszahlungen sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstrecken und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfassen.

Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes erfordert jedoch zusätzlich die „Außerordentlichkeit“ dieser Einkünfte.

Der BFH geht im Streitfall davon aus, dass die vom damaligen Arbeitgeber auf Wunsch des Klägers während des Arbeitsverhältnisses ausgesprochene Kündigung der Rentenversicherungsverträge wirksam war, da die Abfindung nicht im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand. Nach Auffassung des BFH folgt die Außerordentlichkeit der Einmalzahlung nicht daraus, dass die Kündigung und vorzeitige Auszahlung des Rückkaufswertes dem Zweck von Altersvorsorgeverträgen widerspreche. Eine vor Erreichen der Altersgrenze vorgenommene Kapitalauszahlungen im Bereich der bAV ist daher nicht als atypisch anzusehen.

Da der BFH anhand der Unterlagen nicht beurteilen kann, ob es nur in atypischen Einzelfällen zur Kapitalabfindung bei Rentenbeginn bzw. zur vorzeitigen Beendigung von Versicherungsverträgen aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung durch Kündigung oder sonstige Aufhebung verbunden mit einer Auszahlung des Rückkaufswertes kommt oder nicht, muss dies durch das FG anhand entsprechender Statistiken ermittelt werden.

Tipp für die Praxis:
Da sich das BMF wiederholt dahingehend geäußert hat, dass bei Einmalauszahlungen aus Direktversicherungen/Pensionskassen keine sog. Fünftel-Regelung anzuwenden ist, ist auch nach diesem Urteil keine Änderung dieser Auffassung zu erwarten.

(BFH Urteil vom 06.05.2020 X-R-24/19)

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